Ein Beispiel für diese Mechanismen sind Freihandelsabkommen mit unfairen Konditionen, die Ländern des Globalen Südens – teilweise durch politischen und ökonomischen Druck – aufgezwungen werden. Bedingungen sind oftmals die Öffnung nationaler Märkte, was zu einer Verdrängung der heimischen Produkte führt. Auch Entwicklungskredite internationaler Organisationen wie der Weltbank oder des Internationalen Währungsfonds beinhalten Auflagen, die oftmals zu sozialem Abbau führen und nationale Märkte für Auslandsinvestitionen öffnen – und damit Abhängigkeiten verfestigt. Schon in den 1990ern gerieten die Weltbank und der IWF für ihre Kreditvergaben und den damit verbundenen Strukturanpassungsforderungen in starke Kritik.
Länder des Globalen Nordens sichern sich darüber hinaus Rohstoffimporte, kontrollieren Absatzmärkte und stärken ihre Exportwirtschaft durch Subventionen. Gleichzeitig schützen sie mit Zöllen und begrenzten Einfuhrmengen den eigenen Markt gegen ausländische Erzeugnisse wie Agrar- und weiterverarbeitete Produkte. Auf diese Weise verstärken sich globale Ungerechtigkeiten und ausbeuterische Strukturen, von denen hauptsächlich der Globale Norden und Eliten aus dem Globalen Süden profitieren. Durch die Aneignung von Land (Landgrabbing) sichern sich sogenannte Industrie- und Schwellenländer, aber auch im Energie- und Agrarsektor tätige transnationale Unternehmen, zusätzlich riesige Flächen (vor allem im Globalen Süden), um dort für den Export anzubauen. Vertreibung, territoriale Auseinandersetzungen, Nahrungsmittelkrisen, Wasserknappheit und Konflikte um Wasser sind häufige Folgen. Für die große Mehrheit der Menschen aus dem Globalen Süden besteht die koloniale Arbeitsteilung, die sie zu Rohstofflieferant*innen und Billiglohnarbeiter*innen degradiert, mit all ihren sozialen Problemen und massiver Umweltverschmutzung, fort. Sie tragen die sozialen, ökologischen und ökonomischen Konsequenzen, die viele transnationale Unternehmen zur Gewinnmaximierung in Kauf nehmen.
Viele gesellschaftliche Strukturen der kolonisierten Gebiete, das Wissen, die Kultur oder die Sprachen der heimischen Völker wurden durch die kolonialen Herrschaftsstrukturen marginalisiert und weitestgehend zerstört. Ehemals willkürlich festgelegte Grenzziehungen tragen auch nach der Unabhängigkeit von Staaten zu politischen und gesellschaftlichen Konflikten bei. Durch die Arbeit westlich dominierter internationaler Institutionen (wie Weltbank, IWF, WTO, WHO, etc.), aber auch durch Werbung transnationaler Unternehmen und konsumorientierte kulturelle Praktiken (wie „Geiz ist geil“, „Kauf dich glücklich“) wird das westliche Wertesystem verbreitet und lokale Kulturen verdrängt. Auf diese Weise prägen auch Medienunternehmen und die Filmindustrie Konsummuster. Sie beeinflussen mentale Infrastrukturen, durch die Lust nach Neuem, nach Konsum und Wachstum in den Wünschen, Hoffnungen und Werten jeder*s Einzelnen verankert wird.
Westliche Zivilisationen beanspruchen, bewusst und unbewusst, für ihr Wissen eine fast uneingeschränkte Definitionsmacht und Deutungshoheit. Westliches Wissen diktiert so, wie bspw. „Entwicklung“ und „Fortschritt“ zu verstehen oder wie „Armut“ zu definieren und zu bekämpfen sind, ohne andere Perspektiven gleichwertig zu berücksichtigen. Auf diese Weise werden diskriminierende Abstufungen und Hierarchien zwischen Menschen und Staaten manifestiert und ein lineares Fortschreiten von „unterentwickelt“ zu „entwickelt“ als einziger richtiger Entwicklungspfad propagiert. Auch Projekte staatlicher und nichtstaatlicher Entwicklungszusammenarbeit tragen häufig zu einer Verfestigung dieser hierarchischen Strukturen bei.
Gegen diese bestehenden diskriminierenden globalen Strukturen wehren sich Menschen vieler Länder des Globalen Südens und auch des Globalen Nordens. Sie fordern Regierungen auf, den Schutz von Menschenrechten und der Natur verbindlich vorzuschreiben, verhindern und blockieren ausbeuterische Projekte auf ihren Territorien, verlangen Selbstbestimmungs- und Mitbestimmungsrechte (ILO-Konvention 169, Right to Say NO Kampagne), zeigen solidarische Gemeinschaftsstrukturen als Alternativen auf oder setzen sich für die Dekolonisierung des Wissens und des Körpers ein. Der Widerstand gegen diese Machstrukturen ist vielfältig und besteht schon seit der Kolonisierung der Gebiete. Beispielsweise zählte der Maji Maji Aufstand von 20 Volksgruppen als größte Widerstandsaktion gegen die deutsche Besatzung in Deutsch-Ostafrika und aufgrund der brutalen Niederschlagung zu den grausamsten Kapiteln der deutschen Kolonialgeschichte. Auch heute kämpfen indigene Völker, wie die Mapuche und Aymara in Südamerika, aber auch Völker in der Arktis, Nordeuropa, Asien, Ozeanien oder im südlichen Afrika für ihre Rechte und ihre Territorien, die Anerkennung ihrer Sprache, Traditionen und Kultur.
Ausführlichere Informationen zum Thema findest du hier in unserer Broschüre „Wirtschaft anders machen“.
Koloniale Kontinuitäten und den Umgang mit diesen thematisieren auch unsere Bildungsvideos. Diese findest du hier.